Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2009; 44(11/12): 758-764
DOI: 10.1055/s-0029-1242125
Fachwissen
Topthema: Anästhesie bei neuromuskulären Erkrankungen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Maligne Hyperthermie – Diagnostik, Therapie und Narkoseführung

Malignant Hyperthermia – Diagnostics, Treatment and Anaesthetic ManagementFrank Schuster, Clemens R. Müller–Reible
Further Information

Publication History

Publication Date:
16 November 2009 (online)

Preview

Zusammenfassung

Bei Patienten mit einer Veranlagung für maligne Hyperthermie (MH) können volatile Anästhetika und depolarisierende Muskelrelaxanzien, wie Succinylcholin, durch eine unkontrollierte sarkoplasmatische Kalziumfreisetzung eine potenziell lebensgefährliche skelettmuskuläre Stoffwechselentgleisung induzieren. Die sofortige Beendigung der Triggerzufuhr, adäquate Oxygenierung, Korrektur der Azidose und der Elektrolytentgleisung sowie die Gabe von Dantrolen sind entscheidend für die Behandlung einer MH. Dieser Übersichtsartikel beschreibt das klinische Erscheinungsbild der MH sowie das diagnostische Vorgehen und fasst die aktuellen Empfehlungen zur Therapie sowie zur Narkosedurchführung bei MH–veranlagten Patienten zusammen.

Abstract

In malignant hyperthermia (MH) susceptible individuals volatile anaesthetics and the depolarizing muscle relaxant succinylcholine may induce a potentially lethal hypermetabolic syndrome of skeletal muscle due to an uncontrolled sarcoplasmic calcium release. Immediate discontinuation of triggering agents, oxygenation, correction of acidosis and electrolyte abnormalities and dantrolene application are essential for MH treatment. This article reviews the clinical symptoms of MH, the diagnostic criteria and the actual guidelines for treatment and management of anaesthesia in susceptible individuals.

Kernaussagen

  • Die Gesamtinzidenz der MH ist nicht endgültig geklärt. Angaben zur Inzidenz von fulminanten Verläufen schwanken zwischen 1: 5000 und 1: 50 000 –100 000 Allgemeinanästhesien.

  • Die Veranlagung zur MH wird autosomal dominant vererbt. Genetische Ursache sind in der überwiegenden Zahl der Fälle Mutationen im

  • Gen für den Ryanodin–Rezeptor–Subtyp 1, den Kalzium–Freisetzungskanal des Skelettmuskels (RYR1). Die Genetik der MH ist komplex – mit mehr als 150 verschiedenen Mutationen im RYR1–Gen und der Beteiligung weiterer Gene.

  • Die pathophysiologischen Veränderungen im Rahmen einer MH–Krise basieren auf einer gestörten skelettmuskulären Kalzium–Homöostase.

  • Volatile Anästhetika und depolarisierende Muskelrelaxanzien sind als MH–Triggersubstanzen bekannt. Für auslösende Ursachen in der Umwelt gibt es Hinweise.

  • Das klinische Erscheinungsbild einer MH ist äußerst variabel und reicht von abortiven Verläufen mit nur einem oder wenigen Symptomen über moderate Verlaufsformen bis hin zur fulminanten MH–Krise.

  • Entscheidend für die Prognose des Patienten ist die sofortige Einleitung von kausalen und symptomatischen Therapiemaßnahmen unmittelbar nach Diagnosestellung. Seit der klinischen Einführung von Dantrolen steht ein kausales Therapeutikum zur Verfügung.

  • Der In–vitro–Kontraktur–Test ist gegenwärtig das Standardverfahren zum Nachweis einer MH–Veranlagung. Bei familiären Fällen mit genetischen Voruntersuchungen besteht die Möglichkeit einer genetischen Diagnostik.

  • Zur Vermeidung einer vitalen Gefährdung von MH–Veranlagten im Rahmen einer Allgemeinanästhesie sind anästhesiologische Vorsichtsmaßnahmen zwingend notwendig.

Literaturverzeichnis

Dr. med. Frank Schuster
Prof. Dr. rer. nat. Clemens R. Müller–Reible

Email: schuster_f@klinik.uni-wuerzburg.de

Email: crm@biozentrum.uni-wuerzburg.de